シュミットは日本にいるよ。

Ich bin bis September 2007 als Student in Japan und verfolge das ambitionierte Vorhaben, was ich erlebe, festzuhalten und zu schreiben, was ich mir dabei denke. Macht dieser Satz Sinn? Wohl kaum, und gleichzeitig zeigt er, was ich mir vorgenommen habe, naemlich Sinn zu finden, wo zunaechst erstmal keiner zu sehen war. Vielen Dank fuers Lesen, ich weiss es ist manchmal schwer. Zum Glueck weiss keiner wie es in meinem Kopf aussieht...

Montag, Oktober 02, 2006

Was ist eigentlich Perfektion?


Ich war in Tokyo. Das heißt: offiziell wohne ich ja in Tokyo. Steht so zumindest in meiner Adresse. Ich war also in der Innenstadt. Genauer gesagt: ich habe mich mit Alan, Brian und Emily in Shinjuku verlaufen. Das war aber später. Erstmal waren wir in Harajuku und haben kospure- angeguckt. Das steht für cosplay, was wiederum für costume play steht und bedeutet, dass sich Manga- und Animefans so anziehen wie ihre Lieblingscharaktere. Dank der sensiblen und vorurteilsfreien Medienberichterstattung in Deutschland denkt man dort ja weithin, dass eigentlich alle Japaner in abgefahrenen Comic-Klamotten rumlaufen. Oder wie die Geisha in dem Film. Und dabei essen sie den ganzen Tag rohen Fisch. Ich sage da erstmal nichts zu.
...(Leere)...
So. Nichts gesagt.

Gibts auch gar nichts zu zu sagen. Stimmt nämlich nicht. Ich kann ja auch nichts sagen zu Deutschland als ehemaligem Mitglied der Sovjetunion, Deutschland war ja nie in der Sovjetunion. Glaube ich zumindest. Aber genug meiner Weisheiten und zurück nach Harajuku, das ist gleich neben Shinjuku und dort treffen sich die cosplayer sonntags. Außerdem ist dort der der Yoyogi-Park und in ihm der Meiji-Jingu-Schrein, den man, wie alle Schreine, erst betritt, nachdem man sich am Brunnen vor dem Tore die Hände und den Mund gewaschen hat. Haben wir gemacht und sind dann rein. Da wurde mächtig viel geheiratet an dem Tag. An jeder Ecke eine Gesellschaft, die unbewegt ausharren musste für die Schar von Fotografen und Arrangeuren, die in Detailarbeit jede Falte im Kimono richtig gelegt haben. Ist vermutlich fast wie Modellsitzen für einen Holzschnitt, ziemlich langwierig. Einige Touristen haben wohl auch gedacht, das es sich um Hochzeitsgesellschaftsfiguren aus Pappmarche wie in einem open-air Museum handelte.
Folgende Situation: Ein russisches Pärchen nähert sich der beschriebenen Hochzeitsgesellschaft, wohlgemerkt den dazugehörigen roten Teppich benutzend. Hände in den Hüften, betrachten sie das Geschehen eher emotionslos. Sie sprechen kurz, dann positioniert sie sich etwa zehn Meter von der Pappmarche-Familie, die durch energisches Haarnadelstecken der visuellen Perfektion noch näher gebracht wird.
Er spricht: „Hier steht Mascha vor einer traditionellen japanischen Hochzeitsgesellschaft.“
Das behaupte ich jetzt natürlich nur, ich verstehe ja gar kein Russisch, „Mascha“ habe ich aber gehört.
Dann hat er nichts mehr gesagt und irgendwann nur noch die Kamera gegen eine Digicam getauscht. Dann hat er auch die Digicam eingepackt, und sie haben noch die Situation ausgenutzt (wann steht man schon mal auf einem echten roten Teppich?) und eine Tokyo-Karte ausgiebig studiert, mit lebhafter Diskussion.
Hier ist noch mein Vorschlag für die Videomoderation statt des frei übersetzten Hier steht Mascha vor einer traditionellen japanischen Hochzeitsgesellschaft.
„Tokyo, Harajuku. Für diejenigen japanischen Familien, die es sich leisten können, gehört eine traditionelle Hochzeitszeremonie im berühmten Meiji-Jingu-Schrein zum guten Ton. Anwesend sind nur die engsten Verwandten. Daher kommt dem dokumentarischen Teil des Tages auch größte Bedeutung zu. Schließlich dienen Fotos hier nicht nur als bloße Erinnerung, sondern vor allem als Möglichkeit, den Abwesenden das Ereignis zumindest visuell näher zu bringen. Maskenbilder, Friseure und Fotografen, auch eine hauptamtliche Insektenfernhalterin arbeiten konzentriert auf das perfekte Bild hin. Jede kleinste Bewegung könnte das Werk zerstören, bewegungslos harren die Delinquenten mit gemeißelten Minen und geduldiger Disziplin aus. Die exquisite Kleidung erinnert an Staatsereignisse. Haut und Kimono der Braut leuchten seidenmatt und kirschblütengleich im sanften Licht des Sonntagmittags.
Und hier ist Mascha. Eine Hand in ihren Kaki-Shorts, blaues Träger-Top und Outdoor-Sandalen. Praktische, mittellange Frisur; erfordert kaum Zeit am Morgen. Sie steht still und ausdruckslos in direkter Linie vor der Braut. Aber sie ist nicht bewegunslos.
Sie kaut Kaugummi. Mit offenem Mund.
Weiter zum Sport“So hätte es sein können, aber ich weiß ja auch gar nicht, was aus den beiden geworden ist. Schließlich sind wir kurze Zeit später in Shinjuku verloren gegangen. Da gehts jetzt weiter.

1 Comments:

At Dienstag, Oktober 03, 2006 10:05:00 PM, Anonymous Anonym said...

Was ist eigentlich Perfektion?
Auf einem Tüv-untauglichen Motorrad eine Geburtstagstorte in halsbrecherischer Geschwindigkeit unter Einsatz der Hupe an Stelle der Bremse durch spurwechselnde Autos, rote Ampeln, Fussgänger, Autowäscher, jonglierende Strassenjungs, Schlaglöcher und Staus heil zum gewünschten Termin von A nach B zu bringen und am Ende des Tages noch am Leben zu sein, kommt dem in São Paulo wohl ganz schön Nahe...

 

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