シュミットは日本にいるよ。

Ich bin bis September 2007 als Student in Japan und verfolge das ambitionierte Vorhaben, was ich erlebe, festzuhalten und zu schreiben, was ich mir dabei denke. Macht dieser Satz Sinn? Wohl kaum, und gleichzeitig zeigt er, was ich mir vorgenommen habe, naemlich Sinn zu finden, wo zunaechst erstmal keiner zu sehen war. Vielen Dank fuers Lesen, ich weiss es ist manchmal schwer. Zum Glueck weiss keiner wie es in meinem Kopf aussieht...

Mittwoch, April 18, 2007

Ein Ausflug ins Reich der Mitte

Alle Fotos habe ich hier nicht unterbekommen, die uebrigen gibt es unter www.photobucket.com unter Benutzer sebasschmidt.


Ich habe schon immer geahnt, dass chinesische und japanische Kultur doch sehr unterschiedlich sind. Wie zu erwarten war, bin ich auch genau zu diesem Schluss während meines kürzlichen China-Aufenthaltes gekommen. Das hat die Reise ja dann auch umso interessanter gemacht. Wir hätten allerdings nichts dagegen gehabt, wenn sich wenigstens die Sprachen gleichen würden. Ich meine, ein guter Teil der Schweiz spricht Deutsch – oder zumindest wird das behauptet – aber man kann wohl kaum gelten lassen, dass sie das den Deutschen ähnlicher macht. Wir waren jedenfalls von einigen Prämissen ausgegangen, die man uns in Japan eingeflößt hatte: 1) Chinesen sprechen Englisch, 2) Chinesen sprechen Japanisch, 3) Chinesen können Japanisch lesen.
Es wäre interkulturell unvorsichtig, zu beaupten, dass das alles nicht stimmt, deswegen ist mein Schluss ein anderer: Die bezeichneten Personengruppen aus 1) und 2) waren wohl auf Sprachurlaub in England und Japan, und die aus 3) lesen ihre japanischen Zeitungen vermutlich zu Hause. Dies war zumindest der Fall vom 14. Februar bis zum 3. März. Die logische Konsequenz: Eine Gruppe ausländischer Studenten, die unter Zuhilfenahme diverser äähh- und nnmmhhm-Laute versucht, das bevölkerungsstärkste Land der Erde auf touristische Art und Weise Untertan zu machen. Das Resultat: Dieselbe Gruppe, die in eben beschriebener Mission kläglich scheitert und stattdessen überall mehr bezahlt, wo das überhaupt möglich ist. Der Kulturimperialist in mir möchte jetzt sagen: „Ist ja auch egal, ob wir 1 Euro oder 1,5 für 30 Minuten Taxi-Fahrt bezahlen, aber das ist ja gar nicht der Punkt.


Das Treppenhaus zu meinem Hostel in Hong Kong

Ich muss das ja auch ein wenig einschränken, zumal wir in Hong Kong Iris als Begleitung hatten, die ihr bisheriges Leben dort verbracht und nur im letzten Semester mit uns gemeinsam in Japan studiert hat. Und wir hatten Bryan, dessen Familie ursprünglich aus China kommt und der Kantonesisch spricht, was uns natürlich nur in Hong Kong dienlich war. Noch ein Wort zu Iris: Sie spricht Kantonesisch, Mandarin Chinesisch (die offizielle Sprache der Volksrepublik), Englisch und Japanisch. Sie kennt mindestens 7.000 Schriftzeichen, die meisten davon in traditioneller (Hong Kong), vereinfachter (Peking) und japanischer (irgendwo zwischen traditioneller und verinfachter) Schriftweise. Ich habe mir dann mal verschwiegen, dass ich außer den 26 Standard-Buchstaben auch noch ä, ö, ü, ß und sogar das „c“ mit dem Haken aus Französisch lesen kann, obwohl es vermutlich Phasen in meinem Leben gab, in denen nicht so sicher war, ob ich es jemals so weit bringen würde.


Noch ein Wort zu China: China ist verdammt groß, und weil hier gar nicht genug Platz ist dafür, muss ich alles mal wieder ein bisschen thematisch zusammenraffen und komme daher gleich zum wichtigsten Punkt: Essen. Neben den chinesichen Standards, die wir alle von zu Hause kennen – Eingeweide, Magenwand, Hühnerfüße – standen diesmal auch Vogelnest- und Schildkrötengelee, Hühnerhoden, Straußenfilet, Entenzunge, Fischaugen und –gehirn, Durian (die äußerst übelriechende Frucht, für die es extra „No Durian“ Schilder in Gebäuden gibt) und – als besonderes Barbecue-Highlight – Skorpion, Heuschrecke, Seidenraupe, Seestern, Hai und Schlange auf dem Plan. Begründeterweise vermute ich, dass vieles davon den Chinesen eigentlich gar nicht besonders schmeckt, denn es gab jedes Mal, wenn sich meine Stäbchen zum Mund bewegt haben, einen entsprechenden Hinweis, für welchen Teil meines Körpers die jeweilige Delikatesse denn nun besonders gut sei.

yummy

Vogelnest ist gut für das Brustwachstum, Schildkröte verwandelt die Haut in Seide, Eingeweide stärken das Immunsystem, und so weiter und so fort... Ich persönlich denke, dass Vogelnest lediglich gut ist für orale Schleimtoleranz, Schildkröte der Betäubung der bitter-Geschmacksnoppen im Mund dient, und Eingeweide vielleicht die Zähne stärken, da es Zeit und ungebrochene Konzentration erfordert, dieselben durch jene Rindermembranen zu schlagen, die schon ganz andere Dinge gesehen haben in ihrem Membranenleben. Leider bricht die Liste der aufregenden Dinge auf unserer Speisekarte ab, sobald wir in die Volksrepublik einreisen – aufgrund genannter Sprachschwierigkeiten. Nach unserer Rückkehr wurden wir immer wieder gefragt, ob wir denn nun auch Hund gegessen hätten. Die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Definitiv ist jedoch, dass die Form und Konsistenz der Fleichbeigaben diverser Gerichte, die wir mit Fingerzeig und Grunzlaut bestellt haben, uns mehr als nur fremdartig vorkamen. Wir werden es wohl auch nie herausfinden.

Goldfischmarkt in Hong Kong

Fatal wurde es auch erst, als wir es harmlos probiert haben... dazu eine kurze Einleitung: In China kann man fast überall mit dem Zug hinfahren. Für längere Strecken sind dies fast ausnahmslos Nachtzüge, da es kein ausgebautes Hochgeschwindigkeitsstreckennetz (32 Buchstaben!) gibt. Abenteurer, die wir sind, wollten wir natürlich nicht nur unsere gesamte Zeit in Hong Kong und Peking verbringen, sondern zur Wiege chinesischer Kultur, nämlich nach Xi´an, reisen. Xi´an ist so überwältigend, dass ich es alles gar nicht mehr zusammenkriege.

Der Glockenturm in Xi'an

Als östliches/r Ende/Anfang der Seidenstraße war es Hauptkontaktpunkt zwischen Ost und West für hunderte und hunderte von Jahren. Die Stadtmauer ist phänomenal und (nach Restauration) fast völlig Intakt. Von Peking kann man Xi´an in einem Nachtzug in bequemen 13 Stunden erreichen. Haben wir auch gemacht, schlafenderweise, auf bequemen Betten, für ca. 15 Euro pro Person. Wir waren so gespenstig ausgeruht, dass wir noch am Tag unserer Ankunft die Haupt-Attraktionen abgeklappert haben. Zum Beispiel den äußerst beeindruckenden Glockenturm in der Stadtmitte, der eine von Chinas ältesten Glocken beherbergt, d.h. eigentlich nicht, denn sie steht draußen auf der Veranda und für einen Euro kann man sie dreimal läuten... Irgendwie wurden wir den Gedanken nicht los, dass das gleiche Stück in uns mehr vertrauten Ländern dieser Erde (und vermutlich anderer Erden) hinter Panzerglas im Hochsicherheitstrakt eines Museums ein eher geräuschloses Leben dahinsiechen würde (mal davon abgesehen, dass es für Diebe vermutlich einfacher wäre, das Museumsgebäude zu entkernen, als die tonnenschwere Glocke zu bewegen).

Hier ist das gute Stueck

Xi´an hat übrigens durch die Seidenstraßen-Verbindung ein extrem lebendiges muslimisches Viertel und Menschen, die in diese interkulturellen Verbindungen geboren wurden, von solch atemberaubender Schönheit, dass man sie direkt einpacken und vor der Diskriminierung schützen möchte, der sie mit aller Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sind. Xi´an ist natürlich auch der Ort (mit knapp weniger Einwohnern als New York City), von dem aus sich die Terrakotta-Armee am einfachsten besuchen lässt. Wir haben uns dann auch spontan für den zweiten Tag eingetragen für eine (wie wir dachten) vom Hostel organisierte Tour. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Tour nicht besonders viel mit dem Hostel zu tun hatte, sondern eher mit bestimmten Unternehmen, die im Rahmen unserer (wie wir dachten) Vormittags-Tour bequem angefahren werden konnten. Abfahrt war um 9 Uhr morgens, erster Stopp war die Terrakotta-Armee, zweiter das auf gleichem Gelände befindliche Teehaus, das alle von uns leicht beschämt mit diversen Tüten beladen verlassen haben. Da es schon nach ein Uhr geworden war, lehnten wir ab auf die Frage, ob wir noch nett in einem schönen Lokal Lunch essen wollten. Sehr zum Misgefallen unseres Guides, da sie wohl auch dort Kommission kassiert hätte. Außerdem lehnten wir ja auch nur ab, weil wir dachten, wir wären spätestens um drei wieder im Hostel. Weit gefehlt: Zwei „spontane“ Halte an einem Grab irgendeines einflussreichen Menschen aus einer Zeit langer vor der jetzigen und eine eingehende Tour einer Seidenfabrik mit anschließendem persönlichen Verkaufsgespräch führten dazu, dass wir nicht eher als halb sieben wieder zurück im Hostel waren – ausgehungert und halbverdurstet. Ein bisschen waren wir aber auch stolz, konnten wir doch mal für einen Tag völlig ungeniert Touristen sein, mit vor den Bauch geschnallten Kameras, Unterhaltungen mit den anwesenden Europäern führend.

Man vermutet, dass noch tausende in der Naehe vergraben liegen

Auch ergab alles plötzlich Sinn, wurde mir doch klar, dass dies genau der Weg war, den üblicherweise japanische Touristen gehen, wenn sie Auslandsreisen machen – inner Gruppe im Bus! Und ja, es stimmte alles: All die freundlichen Chinesen, die wir an diesem Tag getroffen haben und die die allerschönsten Dinge feilboten, sprachen zumindest Japanisch und Englisch. Offensichtlich hatten wir bis dahin nur den völlig falschen Weg gewählt mit unserem verdammten Individualismus. Ein bisschen weise kam ich mir dann schon vor.


Bank of China Tower in Hong Kong

Aber genug der Bustouren, es ging ja um eine Zug-Einleitung. Zur Erinnerung: Unsere Reisezeit lag ziemlich saumlos über dem chinesischen Neujahr. Wer nicht weiß, was das an touristischer Front bedeutet, versucht besser gar nicht, es sich vorzustellen. Neujahr war vom 18.-20. Januar, als wir noch in Hong Kong waren. Es gab eine kommerzialisierte Parade, Feuerwerk und hoffnungslos überfüllte Straßen mit all den Menschen, die idealerweise wie üblich in ihren Büros hinter den Glasfassaden gesessen hätten.


Jene Parade


Jene Fassaden

Am 21. war dann allerdings auch Schluss – was wir kaum bemerkt haben, denn in der Volksrepublik schien es dann erst richtig loszugehen. Abends haben wir uns kaum auf die Straße getraut, die Massen von Feuerwerkskörpern, die geknallt wurden, lagen schier jenseits jeder Vorstellungskraft. Als auch drei Tage nach dem Ende der Neujahrstage es immer noch nicht nachgelassen hatte, haben wir uns dann letztlich durchgerungen und die größte Raketenkiste gekauft, die der nächstgelegene Stand zu bieten hatte – für stolze 30 Euro (in dem teuersten, völlig untouristischen Restaurant, in dem wir gegessen, nein – uns gemästet haben – haben wir incl. Getränke und am Tisch tranchierter Peking-Ente 21 Euro bezahlt... für sieben Personen). Die Standbesitzer waren nett genug, die Kiste zu zweit für uns in geeignete Position zu bringen. Nach dem Zünden durften wir dann für diverse Minuten mehr als 80 Raketen beobachten, die nett choregraphiert die Nachte erhellten – jede einzelne größer, höher und bunter als alles, was es in Deutschland zu kaufen gibt.

Frohes Neujahr!


Fuer Mao mit Elan! (vor seinem Mausoleum)

Der Punkt, den ich hier machen wollte, ist dass über Neujahr viele Menschen in China für eine ziemlich lange Zeit frei haben, und typischerweise Zeit mit ihren Familien verbringen. Irgendwann ist diese noch so lange Zeit dann aber auch vorbei, und dann heißt es Abschied nehmen. Das passiert am Bahnhof, denn kurz danach fährt dann auch meist der Zug nach... Peking. Dumm nur, dass auch wir unter den armen Seelen waren, die dachten, sie könnten mal flott und bequem wie auf der Hinreise wieder zurück in die Hauptstadt. Wir hätten alarmiert sein sollen, hatte doch unsere Englisch-sprechende chinesisch-koreanische Herbergsmutter Carol uns unsere Tickets für die Hinfahrt nach Xi´an besorgt (so wie alles andere – hätten wir Carol nicht gehabt, hätten wir mit Sicherheit ausschließlich in Seidenfabrik-Bussen das Land erkundet, aber dazu später mehr), aber gemeint, dass es mit der geplanten Rückfahrt etwas schwierig sei.

Zur Mauer hat uns auch einer von Carols Angestellten im Auto fuer billig gefahren, fuer billig... wir wissen zwar immer noch nicht, wie lang die Mauer nun genau ist, aber wir haben ziemlich schmerzlich gespuert, das sie verdammt steil ist.


Ein Blick von der Mauer



In unsere vom japanisch-überwältigenden Kundenservice verwöhnten Naivität dachten wir uns, dass wir uns da drum kümmern, wenn wir erstmal in Xi´an angekommen sind. Haben wir auch gemacht, mit unserem Chinesisch-Wortschatz-Buch gute eineinhalb Stunden in der Schlange zu EINEM geöffneten von ACHT vorhandenen Schaltern wartend. Als wir unseren sorgsam vorbereiten Ticketwunsch dahinstotterten, wurden wir auf halbem Weg von dem eindeutig überarbeiteten Herrn hinter dem Glas mit zwei ganz kurzen Silben unterbrochen, die ganz einfach „voll“ bedeuten, unterbrochen. Unsere leichte Verzweiflung angesichts der endlosen Schlange hinter uns wurde ausgelöscht von einer hilfsbereiten Frau, die mich kurz zuvor angesprochen hatte, nur um zu gestehen, dass sie auf Oliver Kahn steht. Ihr Englisch war ziemlich gut und sie hat uns dann unter mitleidigem Lächeln Tickets für den übernächsten Tag besorgt – 11 statt 15 Euro auf der Hinfahrt. Als hätte ich es geahnt, habe ich für das Kollektiv beschlossen, dass wir ruhig gute zweieinhalb Stunden vor Abfahrt zum Bahnhof fahren sollten. Das stellte sich als äußerst gute Idee heraus, mal davon abgesehen, dass wir extremes Unglück mit dem Taxifahrer hatten und ich während der Fahrt nur darüber nachdenken konnte, wie ich wohl am besten reagieren sollte, falls einer der in der letzten Sekunde wegspringenden Passanten es nicht in Sicherheit schafft. Letztendlich habe ich über zwei Szenarios nachgedacht, abhängig davon, ob ihr schwacher Körper an der Windschutzscheibe zerschmettert oder sie durchbricht. Ich weiß, ich neige zur Dramatik aber hier mal ganz im Ernst: Mir ist das Adrenalin fast aus den Ohren gelaufen und die Kerben im Handgriff der Beifahrertür sind mit Sicherheit geblieben. Bei unserer Ankunft am Bahnhof haben wir dann mal wieder einiges verstanden: Der Ticketschalter war nicht aus Idiotie drei Gehminuten vom Bahnohf entfernt, sondern einfach, weil es im Bahnhof (und davor) kein Durchkommen gab. Die Eingangshalle war gepackt mit Leuten, die von den Gleisen herausstanden und der Vorplatz war ein Gewirr aus Gittern, an denen Wachleute und Polizisten regelmäßige Kontrollen gegen Schwarzfahrer und Gepäckdiebe durchführten. Einer, der sich wohl Adrias Rucksack ausgeguckt hatte, wurde brutal von zwei Polizisten zu Boden gebracht. Überhaupt fühlte ich mich ziemlich sicher, das Wachpersonal hat umgehend alle möglichen Leute zu diversen Seiten gedrückt, um uns Platz zu machen. An der dritten Kontrolle war ein ca. 16-18-jähriges Mädchen vor mir in der Schlange. Als die Kontrolleurin ihr Ticket sah, hat sie sie an den Haaren gepackt und zur Seite geschliffen. Sobald wir dann drin waren, brauchten wir auch gar nicht weiter, waren dir doch schon direkt am Ende der Schlange zu unserem Gleis angekommen. Diese fing an sich zu bewegen, und zu dem Zeitpunkt war mir absolut klar, dass meine Vermutung beim Verlassen des Taxis völlig richtig war. Unsere Tickets waren für Standard Seats, was bedeutet das freie Platzwahl herrschte. Dumm nur, dass wir in Ermangelung von Plätzen keinen Gebrauch von dieser Freiheit machen konnten. Letzendlich habe ich 12 der 13 Stunden Fahrtzeit stehend verbracht, mit regelmäßigen Krämpfen in beiden Beinen, da es aufgrund des überall gestapelten Gepäcks unmöglich war, eine bequeme Stehposition zu finden. Immerhin war es nicht so gequetscht wie Samstags im letzten Zug von Shibuya nach Shinjuku, und überhaupt bin ich ziemlich ausdauernd im Stehen und das wäre wohl alles auch nicht so schlimm gewesen. Zumal wir noch ein paar Kekse hatten, und sich nach ca. 4 Stunden ein paar Wasser verkaufende Bahnmitarbeiter durch die Menschen hindurch bis zu uns kämpfen konnten. Jedoch hatten Bryan und ich eindeutig an jenem verhängnisvollen Tag etwas falsches gegessen. Ca. Sechs Stunden in die Reise bildete sich leichter kalter Schweiß auf meiner Stirn und von eine Sekunde auf die nächste war mir klar, dass ich umgehend die Toilette aufsuchen musste. Jene war auch nur ca. 4,5 Meter von meinem Standpunkt entfernt, auf dem Weg jedoch standen, saßen, hingen (?) mindestens 40 Menschen. Bei der Toilette handelte es sich zum Glück um ein asiatisches Hock-Klo, weniger erfreulich war jedoch, das bereits zu jenem Zeitpunkt der Boden schwamm in diversen Körperflüssigkeiten, Essensresten, Papier, Zeitungen und benutzten Damen-Hygiene-Artikeln. Es half alles nichts und das einzige was mich interessierte war, dass es ein Loch im Boden gab. Als ich die Tür öffnete, erwartete mich Bryan – mit ganz ähnlichen Schweißperlen benetzt – und dass Gedankenroulette in meinem Kopf kam zu einem abrupten Halt, mit dem Zeiger leuchtend auf „Anis-Nudeln und Schweineschaschlik“. Die folgenden zwei Stunden waren möglicherweise die strapaziösten meines Lebens – in ganz anderer Weise als die Taxifahrt am Abend zuvor. Diverse Toilette, verzweifelte Taschentuchsuche, Dehydration, Schwindel, Hitze, Kälte, Hitze, und das alles auf engstem Raum zwischen Reissäcken und chiesischen Augen, die sich eindeutig noch lange nicht an den Menschen des Westens satt gesehen haben.
Für mein Gefühl bei der Ankunft gibt es keine Worte. Wir sind umgehend und ohne jede Reue in eins der illegalen Taxis eingestiegen und für den ziemlich hohen Betrag von 11 Euro zum Hostel gefahren. Allerdings handelte es sich um einen Van, also haben alle fünf Anwesenden incl. Gepäck Platz gefunden. Ob die Fahrt 5 oder 50 Minuten gedauert hat, weiß auch niemand mehr, selbst ich bin eingeschlafen, noch bevor wir den Bahnhofsparkplatz verlassen haben – hinter verdunkelten Scheiben vorbei an den Polizeiautos die Jagd machen auf illegale Taxis. Wenn die Fahrt uns auch noch eine Niere in einem Organschlachthof gekostet hätte, wären wir in der Situation vermutlich auch einverstanden gewesen.
Während dieses zweiten Aufenthalts in Peking haben wir nicht eine von Carols Wohnungnen gemietet, sondern uns entschieden,in einem Hostel im Zentrum, fünf Gehminuten von der Verbotenen Stadt, zu schlafen. Obwohl wir morgens um acht ankamen, konnten wir bereits in unser Zimmer, was ein Traum war. Brandeu, ultrasauber, ruhig, bequeme Betten. Für sechs Euro die Nacht schien es die ganze Mühe wert. Adria hat schnell geduscht und kurz geschlafen und ist dann zum Flughafen, da sie schon früher nach Japan zurückmusste.
Wir verbleibenden vier haben uns kurz erholt und haben dann das einizig vernünftige gemacht, was man überhaupt machen kann: Wir haben auf der sogenannten Snack Street unsere Zähne in gebratene Skorpione, Insekten, Schlangen, Seesterne und weiß nicht was geschlagen. Anschließend gab es noch Cup Noodles im Hostelzimmer und dann endlich eine erholsame Nacht.






Wer vorhat, nach China, bzw. Insbesondere nach Peking zu reisen, sollte sich vor allem auf eine Sache vorbereiten – diese Stadt ist verdammt groß. Und das bezieht sich nicht nur auf Wege zu Metrohaltestellen und dergleichen, sondern vor allem auf die Attraktionen selbst. Es heißt, für die Verbotene Stadt solle man sich idealerweise einen ganzen Tag nehmen. Stimmt auch, in einem Tag kann man zumindest die Fläche dieser Tempelgeladenen Kaisersresidenz ablaufen, die gute 500 Jahre für die Öffentlichkeit unter Androhung (und rigoroser Exekution) der Todesstrafe unzugänglich war. Die Kaiser haben das Gelände nur im Sommer verlassen, um der Hitze zu entgehen und zum Sommerpalast zu prozessieren. Macht schon Sinn: Es gibt nämlich genug zu sehen im Innern. Wer also lernbegierig genug ist, um auch noch etwas über die vorhandenen Gebäude lernen und lesen zu wollen, sollte besser zwei oder mehr Tage einplanen, zumal um 16 Uhr die Tore geschlossen werden. Sobald man raus ist, kann man aber gleich weiter zum Tiananmen Platz, dem größten öffentlichen Platz der Welt... und das spürt man auch. An einem nebeligen Tag, kann man nur erahnen, wo das Ende sein könnte. In der Mitte steht als großes Highlight Maos Mausoleum und ich möchte den Anblick seines konservierten Körpers nicht in meinen wertvollen Erinnerungen missen. Sollten einen die Beine noch nach dieses Marathons tragen können, lohnt sich ein Besuch im Tempel des Himmels, der korrekt heißt Tempel des Himmels-Park, denn zuerst muss man sich durch den gigantischen Park arbeiten, um überhautpt zu den noch viel gigantischeren Tempelanlagen zu gelangen. In diesen Tagen haben unsere Beine derart viel unserer gesamten Energie in Anspruch genommen, dass wir Abends regelmäßig Sprachschwierigkeiten hatten, das unsere Gehirne incl. Sprachzentrum völlig unterversorgt waren.

Von der Verbotenen Stadt, Tiananmenplatz im Hintergrund


"Im Innern" des Tempels des Himmels


Ein Teil (wohl eher 1%) der Verbotenen Stadt




Wer es bis hier geschafft hat, für den trifft das sicher auch auf das Sehzentrum zu und ich möchte auch bald schließen, aber nicht ohne darauf hinzuweisen, dass ich mal wieder nur einen Bruchteil der unzähligen witzigen, unglaublichen, faszinierenden, nervigen, und nochmals witzigen Dinge überhaupt erwähnen konnte, um diesen Blog nicht gleich zu einem Buch werden zu lassen. Vieles war uns auch nur möglich dank der Hilfe von Carol, die ich oben schon erwähnt hatte. Dank ihr waren wir in einer atemraubenden Akrobatikshow, in unfassbaren Restaurants und haben uns diverse Male für ca. 10 Euro in einer Luxussauna unsere Luxuskörper (ähem) von sämtlichem, ziemlich zahlreichen Alltagsschmutz sauberschrubben und mit Milch und Honig massieren lassen. Der Gedanke, dass wir jenen Lebensstil in Japan kaum fortsetzen können, hat uns natürlich ein bisschen traurig gemacht, aber am Ende sind wir ja auch nur Studenten. Und dem Studenten leben werde ich mich jetzt auch wieder widmen, mit endlosen Vokabellisten und der Frage warum sind wir eigentlich den Schweizern so fremd...?


P.S.: Als kleines Bonbon noch ein paar Bilder von unserem Schlecht-Wetter-motivierten Besuch im Militaermuseum. Nur ein Frevel koennte behaupten, das Ausstellungsgut haette propagandistische Zuege...


Mittwoch, Januar 31, 2007

Ein bisschen was zum Angucken

Nachdem ich mittlerweile rausgefunden habe, wie ich Bilder hochladen kann, wobei ich das so eigentlich gar nicht sagen kann, ohne meine Inkompetenz zu enthuellen(...ist naemlich wirklich ziemlich einfach), gibt es hier noch ein paar mehr. Ab morgen macht dann auch die Uni dicht, d.h. vermutlich wird von mir nicht viel zu hoeren sein, bis ich Anfang Maerz aus China wiederkomme und dann auch zu Hause Internet habe. Dann werde ich also auch ggf. per Skype zu erreichen sein.
Bis dahin wuensche ich allen, die Ferien haben, schoene Ferien, und allen, die keine Ferien haben, Traeume, in denen sie in die Ferien fahren. Macht doch Sinn.

Nachdem ich aufgefordert wurde, auch mal was haessliches zu fotografieren, habe ich mich auf die Suche gemacht. Da es aber bekanntermassen schwieriger ist, Haessliches wirkungsvoll in Szene zu setzen, als Schoenes, da unsere Sinne seit der Entdeckung und Ausbeutung der Aesthetik in der Antike ja darauf geschult sind, das Schoene schoen zu finden, bin ich noch nicht so recht erfolgreich. Ganz davon abgesehen waere das sichtbare Gebaeude aus japanischer Perspektive auch bei grauem Himmel noch schoen. In erster Instanz ist in Japan alles was neu ist auch erstmal schoen. Griechenland ist naemlich ziemlich weit weg.

Hier habe ich mich aber schon etwas gesteigert. Wie gesagt, ich trainiere hart.

Zugegebenermassen, eine ganze Reihe dieser Bilder ist etwas spaet, aber im uebrigen waren die Hirsche auch schon ab Anfang Dezember jeden Abend mit ihren schwenkenden Koepfen auf dem Campus zu beobachten. Ich behaupte uebrigens, das hier schlicht gesundheitspolitische Motive zu Grunde liegen. Sie stehen naemlich in der Raucher Ecke und - wie erwaehnt - schwenken unbeirrt und unendlich (im Rahmen der Lebenserwartung des Motors) ihre wachsamen Koepfe von rechts nach links, als wollten sie das sagen, was auf zahlreichen Schildern zu lesen ist: "We love clean air!"

Da viele Koeche bekanntlich den Brei verderben, ist hier nur Platz fuer einen, um mit dem legt man sich auch besser nicht an, der ist naemlich bis an die Zaehne bewaffnet mit samurai-maessig scharfen Kuechenmessern. Es sei denn, man hat die noetigen Mittel, um sie ihm abzukaufen. Und im Gegensatz zu deutschen Leopard-Panzern, die ja nun nicht jeder haben kann, zaehlt hier nur die Kaufkraft des Kunden, nicht seine Moral. Heiss und fettig, sach ich mal.

Meine erste Weihnachtsfeier des letzten Jahres, schon am 22. Ein bisschen wars wie ne Japanisch-Pruefung, mit dem Unterschied, dass es auch Geschenke gab... HoHoHoHo

Hier wohnt der Kaiser, oder eher in einem der Myriaden von Gebaeuden in der Naehe, ist ja Platz genug.

Hier gratulieren wir dem Kaiser zum Geburtstag. Er hat sich auch richtig gefreut. Ich habe mich gefragt, wer wohl wem in der Monarchen-Landschaft das Winken abgeguckt hat.

Hier guckt der Kaiser zum Fenster raus. Feine Lage.

Der Kaiser hat Kirschblueten vor allen anderen!

Und damit die keiner mopst, patroullieren ruchlose Wachen in seinem Garten!

Der deutsche Botschafter kam auch zum Gratulieren vorbei, und davor das ganze Parlament. Der Kaiser hat ziemlich viele Parkplaetze in seinem Schloss, ich habe nicht schlecht gestaunt.

Hier sind wir wieder am Anfang. Aber jetzt sind die Schotten fuer das Volk wieder dicht. Ohne Nationalflagge am Auto darf man hier naemlich nur an zwei Tagen im Jahr rein: Am Geburtstag des Kaisers und am 2. Januar zum Neujahrsgruss (am 1. Januar hat der Kaiser naemlich Urlaub).

Hier kann man noch sehen, wo die Stadt vorbei ist, ist ja der Berg mit drauf.

Und hier reichen die Lichter schon bis zum Horizont. Irgendwie waechst ja alles in der Dunkelheit obwohl sich in Wirklichkeit die Groesse gar nicht veraendert... faszinierend, und soo schoen.

mmh... Ich weiss ja auch nicht, was das ist, das sich da als Weihnachtsmann verkleidet hat, aber es sieht doch ziemlich unanstaendig aus. Ich will da mal gar nicht weiter spekulieren, da werde ich nur noch rot...

Hier sehen wir alles, was man fuer einen erfolgreichen Weihnachts-Pott (kurisumasu nabe ;-) braucht.

Und damit man nicht vergisst, dass es Weihnachten ist, gibt es traditionell japanischen Weihnachtskuchen... Ich weiss, kommt mir jetzt auch nicht besonders christlich vor, aber ist ja auch egal, sieht naemlich schoen aus, kostet 30 Euro und ausserdem: Wann hat man schon mal die Chance im "Ducky Duck Cafe" einzukaufen? Verspricht ja auch einiges: "Keep cool to be fresh" oh yeah...

Wie man sieht: Es sieht lecker aus.

Hier habe ich extra fuer das Foto mein Zimmer verwuestet, ich war naemlich mitten in eiener Aufraeumphase, die sich unerwartet in die Laenge gezogen hat. Uebrigens wird es schwieriger, je weniger man sich bewegen kann. Also immer schoen aufpassen, liebe Leute!

Das gleiche gilt fuer meine Kueche/Flur/Empfangshalle/Schuhlager. Und ja: ich habe zwei Kuehlschraenke. In dem in der Kueche lagere ich allerdings Geschirr, denn fuer den zweiten Kuehlschrank hat man eiskalt auf jede Art von Normaltemperatur-Schrank verzichtet.

Jetzt ist schon Neujahr und es gibt leckeren Tee von Kihokos Grossmutter, die Teemeisterin ist und mal eben zu meinen Ehren Feuer unterm Topf gemacht hat, zum ersten Mal im neuen Jahr, deswegen auch Hatsugama (hatsu=zum ersten Mal, kama= Teepott). Mein schlechtes Gewissen stieg dann ins Unermaessliche, als sie zwei Stunden spaeter die Utensilien wieder ordentlich verstaut hatte und laechelnd aus ihrem Teezimmerchen zurueckkam. Gluecklicherweise hatte ich mich fuer solche Evantualitaeten vorbereitet und mit kiloweise Geschenken und deutscher Schokolade bewaffnet.

Zum Glueck hatte auch die Familie keine Ahnung, wie man alles richtig macht, das hat das Ganze ziemlich entspannt.

Meine "Neujahrs-Gastfamilie" in Akita.

Das ist dann sozusagen die "Hatsu-trommel", auf den groessten Taiko-Trommeln der Welt. Ein weiterer Moment, in dem ich mich gefreut habe, dass in Japan alles erdbebensicher gebaut wird. Waere ich eine Comicfigur, waere mir mein Gehirn vermutlich zu den Ohren rausgeflogen. Instinktiv habe ich jedenfalls meinen Mund ein bisschen offen gelassen, ich habe naemlich mal gehoert, dass man das auch bei Explosionen machen soll, damit die Ohren den Druck aushalten. Ich kann jedenfalls noch hoeren.

Hier habe ich mal ein bisschen gekocht, okonomiyaki heisst soviel wie "brat was du magst". In diesem Fall mochte ich Kohl, Schweinefleisch, Sojasprossen, Fischflocken und fettarme Saucen. Zum Glueck war das auch schon das letzte Bild fuers erste, jetzt muss ich mir naemlich erstmal was zu Essen besorgen, wo ich das so angucke.
Spaetestens Anfang Maerz gibt es wieder Neuigkeiten von mir (falls es Neuigkeiten gibt). Oder zumindest Fotos von der Terrakotta-Armee und der chinesichen Mauer.