シュミットは日本にいるよ。

Ich bin bis September 2007 als Student in Japan und verfolge das ambitionierte Vorhaben, was ich erlebe, festzuhalten und zu schreiben, was ich mir dabei denke. Macht dieser Satz Sinn? Wohl kaum, und gleichzeitig zeigt er, was ich mir vorgenommen habe, naemlich Sinn zu finden, wo zunaechst erstmal keiner zu sehen war. Vielen Dank fuers Lesen, ich weiss es ist manchmal schwer. Zum Glueck weiss keiner wie es in meinem Kopf aussieht...

Mittwoch, Dezember 27, 2006

Fotos


Ich habe nun begonnen, Fotos hochzuladen. Diese sind hinterlegt bei www.photobucket.com
Der Name des Albums is sebasschmidt (Einfach sebasschmidt bei "Search Images" eingeben).

Allerdings glaube ich nicht, dass ich Informationen zu den Bildern hinterlegen kann, also werde ich sie demnaechst dann wohl in meinem blog beschreiben. Erstmal viel Spass damit.

Freitag, Dezember 01, 2006

Von Fischfilets und Licherketten


Japaner moegen Geschenke, und werden nicht müde, nach neuen Gelegenheiten und Rechtfertigungen des Beschenkens zu suchen. In der Geschenk-Anlass-Hitliste gibt es allerdings klare Favoriten und Verlierer. Wer es beispielsweise wagt, Urlaub zu nehmen und der Arbeit fernbleibt und damit natürlich der – in Japan primär wichtigen – Gruppe seiner Kollegen Umstände und Mehrarbeit verursacht, hat dies wieder gut zu machen – auf dem guten alten materiellen Wege, was gute Planung erfordert. Dem inländischen Reisenden wird es noch einigermaßen leicht gemacht, gibt es doch an den Hauptbahnhöfen Souvenir-Shops, die Spezialitäten aus allen Ecken des Landes verkaufen. Hier kann jeder bequem nach der Rückkehr auf dem Nachhauseweg noch schnell die berühmten eingelegten Gurken des Nordens erstehen und rituell am nächsten Morgen den von Überstunden ausgemergelten Kollegen überreichen. Verpflichtungen dieser Art werden teils als derartige Belastung empfunden, dass Geschichten die Runde machen von „Heimlich-Urlaubern“, oder solchen, die familiäre Verpflichtungen vortäuschen, um dem Gurkeneinkauf zu entgehen. Aber die nächste Geschenkerunde kommt bestimmt. Neben diesen omiyage (Souvenirs) ist derzeit – jahreszeitlich bedingt – oseibo (Jahresende-Geschenkaustausch) ganz groß im Rennen. Kaufhäuser drucken ganze Kataloge zu diesem Anlass, und die Schaufenster wimmeln nur so von feinstem Lachs, belgischer Schokolade, deutscher Wurst, japanischer Wurst mit deutschen Auszeichnungen, italienischem Gebäck, deutschen Bierkisten, Hummern, Austern, halben Schweinen, ganzen Rindern, Weinbergen, Käsereien, usw. usf. Also durchaus paradiesische Zustände. Glücklicherweise ist alles fein säuberlich mit Preisschildern versehen, was dann auch meine Versuchung von der Größe deutscher Eichen auf die von bonsai-Chrysanthemen zurückstutzt. Und da das Ende des Jahres ja auch schon in vollem Gange ist, klingeln die Kassen und die Kunden kaufen sich schonmal warm für Silvester. Dann nämlich beherrschen mehrstöckige Bambuskisten gefüllt mit allerlei feinen Sachen, sog. osechi das Geschehen. Für Silvester hat sich die japanische (Konsum)Gesellschaft nämlich etwas besonders nettes einfallen lassen. Üblicherweise ist es zu Feiertagen Pflicht und Kür fuer die Mutter des Hauses, die Küche rotieren zu lassen. Da dies aber den Kaufrausch nicht ausreichend animiert, hat man sich überlegt, die Hausfrau zu entlasten, und die Küche kalt zu lassen. Gegessen muss natürlich trotzdem werden, doch wo kommt das Essen her? Natürlich aus mehrstöckigen, nett lackierten Bambuskisten. Und die wollen erstmal gekauft werden. Für mich als unwissenden Ausländer lassen sich einige wenige Kriterien bei der Bestimmung des Preises feststellen. 1) Das Alter des Chefkochs des herstellenden Betriebs, 2) die Nähe zu traditioneller Architektur des Hauptquartiers des Betriebs (je mehr zen-Optik, desto besser), 3) die Lackierung der Schachtel, 4) wahrscheinlich und hoffentlich die Qualität des verarbeiteten Fischs, 5) womöglich die Stern-Konstellation am Tag der Herstellung. Man weiß es nicht. Fakt ist, dass der Gourmet sich einen 20cm hohen und 20cm Durchmesser messenden Turm aus geräucherten, gekochten, getrockneten und gebratenen Meerestieren schlappe 1400 Euro kosten lassen kann (rund 206.000 Yen). Na dann mal guten Appetit. Eher würde ich mir aus gehechselten Geldscheinen Porridge kochen.
Außerdem kann das Essen auch sonst nichts, außer natürlich gegessen werden. Keine Melodien und tanzenden Ballerinas beim Öffnen, keine lebenslange Garantie – oder vielleicht doch, aber nur auf Gretenschäden? Oder vielleicht ist es gedacht als eine fiese Attacke auf die Psyche der armen Mutter: „Natürlich hätten wir von dem Geld auch den neuesten Hightech-Gasherd kaufen können, oder zehn Tage Beauty-Farm, oder ein Luxus-Wochenende in Nagano zum Skilaufen, oder einen Flug nach Frankreich, aber nein, wir dachten zwei Kilo Fisch wären eine viel bessere Entlastung für dich, Mutter. Im übrigen kannst du gleich mal Feuer auf dem Herd machen, die Schachteln sind nämlich fast leer, genauso wie unsere Mägen. Fröhliches neues Jahr!“
Am anderen Ende der Skala gibt es natürlich auch Möglichkeiten des Geschenkerwerbs für den kleinen Geldbeutel, besonders die oseibo-Kataloge sind nicht arm daran. Eine Flasche Veuve Clicquot mit zwei Gläsern für 36 Euro scheint vernünftig und ist stilvoll genug für ein nettes Geschenk. Oder eine Flasche Rotwein mit zwei Stücken Käse, oder feinste Reiscracker, oder oder oder… Dosenfrüchte? Jawohl, ich traue meinen Augen kaum, neun Dosen Del Monte-Dosenfrüchte, dreimal Ananas, zweimal Pfirisch, zweimal Mandarine und zweimal Frucht-Cocktail, in einem grünen Pappkarton für 25 Euro. Außer in diesem exquisiten Geschenkarrangement gibt es die in jedem Supermarkt. Natürlich würde niemand normalerweise neun Dosen auf einmal kaufen, bei mindestens 500 Gramm pro Stück kommen wir auf gut fünf Kilo Gewicht, viel Spaß damit im Zug für zweineinhalb Stunden, viermal umsteigen inklusive. Es scheint also, das Geschenke auch die Form drakonischer Strafmaßnahmen annehmen können: „Erwarte ja nie wieder ein Geschenk von mir, das nächste Mal gibt es italienischen Marmor, oder feinsten deutschen Backstein!“
Vielleicht mögen Japaner Geschenke also viel weniger als ich zuerst dachte, und vielleicht werden deshalb aus dem Westen importierte Geschenkrituale so herzlich willkommen geheißen, erfordern sie doch nur die Beschenkung der Menschen, die einem persönlich nahe stehen. Valentinstag und Weihnachten stehen da an erster Stelle. Japan ist da auch mal wieder ein echter Vorreiter, Weihnachten ist bereits dort angekommen, wohin es im Westen wohl noch ein paar Jahre braucht: „Religion adé, Kommerz olè“.
In den Städten winken endlos die Weihnachstmänner von Riesenleinwänden und Geschäfte gleichen immer mehr einem Dschungel aus Plastik, Glitzer und Lametta. Verkäufer verkaufen nicht mehr, sondern sind primär damit beschäftigt, denen zu helfen, die sich nicht selbst aus der Lichterketten-Umklammerung befreien können...
Ich uebertreibe natuerlich mal wieder masslos, aber was soll ich sagen, ich find es super.
In der Zwischenzeit verhalte ich mich ruhig und versuche, Geschenkattacken und –verpflichtungen zu entgehen.
Hoch lebe die Konsumgesellschaft!